Kann man Wein auch als Anfänger souverän genießen?
„Ich habe keine Ahnung von Wein, also bestelle ich einfach das Günstigste.“ — ein häufiger Satz in deutschen Restaurants. Viele fühlen sich unsicher, wenn es um Wein geht: Welche Sorte passt zum Essen? Wie halte ich das Glas richtig? Muss ich es schwenken? Diese Unsicherheit führt oft dazu, dass man Wein gar nicht erst bestellt.
Dabei ist Weingenuss keine Wissenschaft für Elitäre, sondern eine kulturelle Erfahrung, die jeder mit ein wenig Wissen meistern kann. In diesem Leitfaden erklären wir die wichtigsten Regeln der Weinetikette und wie man als Einsteiger beim Tasting nicht nur stilvoll, sondern auch genussvoll auftreten kann.
Gibt es einen richtigen Weg, Wein zu verkosten?
Zwar gibt es keine „Pflichtvorgaben“, aber wer Wein mit allen Sinnen erleben möchte, sollte die klassische Reihenfolge einhalten: sehen – riechen – schmecken. Diese Vorgehensweise wird unter anderem vom Deutschen Weininstitut sowie der Sommelier-Union Deutschland empfohlen.
Sie ermöglicht es, Farbe, Bouquet und Struktur des Weins differenziert wahrzunehmen und besser zu verstehen, was einen Wein besonders macht.
1. Wie hält man ein Weinglas korrekt?
Ein häufiger Anfängerfehler: Das Glas wird am Kelch gehalten. Doch das ist nicht nur unpraktisch, sondern auch geschmacklich nachteilig. Richtig ist: Das Glas am Stiel halten. So bleibt die Temperatur stabil und Fingerabdrücke stören nicht den Blick auf den Wein.
Gerade bei Weiß- oder Schaumwein, der kühl serviert wird, ist dies essenziell. Auch bei Rotwein wird diese Haltung aus ästhetischen und praktischen Gründen bevorzugt.
2. Warum spielt die Farbe des Weins eine Rolle?
Die Farbe eines Weins liefert viele Hinweise: Rebsorte, Alter, Ausbauart oder gar Lagerqualität lassen sich mit geübtem Auge erkennen. Am besten hält man das Glas vor einen weißen Hintergrund und neigt es leicht.
- Rotwein: Ein violetter Ton weist auf einen jungen Wein hin, während Ziegelrot auf Reife hindeutet.
- Weißwein: Ein blasses Gelbgrün steht für Frische, ein Goldton oft für Barrique-Ausbau oder Alterung.
3. Der Geruch als erster Geschmack
Bis zu 80 % unseres Geschmackseindrucks stammt vom Geruchssinn. Deshalb ist das „Nasennehmen“ entscheidend. Das Glas leicht schwenken (Swirling), dann tief einatmen.
Anfangs kann Alkohol dominant erscheinen, doch nach ein paar Sekunden entfalten sich komplexere Noten: Frucht, Kräuter, florale Akzente oder mineralische Aromen. Die sensorische Vielfalt ist ein Hauptkriterium bei der Qualitätsbeurteilung, etwa bei der Deutschen Weinprüfung oder im Sommelier-Ausbildungssystem.
4. Der erste Schluck – klein, bewusst, langsam
Trinken Sie den ersten Schluck nicht hastig. Ein kleiner Schluck, langsam über die Zunge geführt, offenbart Süße, Säure, Tannine, Alkohol und Körper. Der Geschmack entfaltet sich in mehreren Phasen.
Rotwein kann durch Tannine einen herben Eindruck hinterlassen – das ist normal und Teil der Struktur. Wichtig ist, ob der Wein harmonisch wirkt und wie lang der Nachklang (Finish) ist.
5. Welche Reihenfolge beim Tasting?
Bei mehreren Weinen ist die Verkostungsreihenfolge wichtig, damit die feinen Nuancen nicht überdeckt werden. Eine klassische Reihenfolge lautet:
- Sekt → Weißwein → Rosé → Rotwein → Dessertwein
- Leichte → Kräftige Weine
- Jung → Gereift
Diese Steigerung sorgt dafür, dass sich die Aromen differenziert entfalten können.
6. Tasting-Notizen – nötig oder überflüssig?
Nicht zwingend, aber ein großartiges Mittel, um eigene Vorlieben und Weinerlebnisse besser zu reflektieren. Notieren Sie Duftnoten, Geschmackseindrücke, Textur und Gesamteindruck.
Nützliche Apps wie Vivino, Wine-Searcher oder Wein.cc helfen beim Bewerten, Speichern und Vergleichen von Weinen. Viele deutsche Nutzer verwenden Vivino, um Flaschen direkt im Supermarkt zu scannen und Empfehlungen zu erhalten.
7. Wein einschenken – aber richtig
Auch beim Einschenken gibt es Etikette: Flasche so halten, dass das Etikett zum Gast zeigt. Mit ruhiger Hand einschenken, bis das Glas etwa ein Drittel gefüllt ist.
Zum Abschluss eine leichte Drehung der Flasche verhindert Tropfen. Besonders bei festlichen Anlässen wirkt dieses kleine Detail sehr professionell.
8. Gläser reinigen und lagern
Ein sauberes Glas ist das A und O. Verwenden Sie warmes Wasser und bei Bedarf ein mildes Spülmittel ohne Duftstoffe. Anschließend mit einem fusselfreien Tuch (z. B. Leinentuch) polieren.
In der Aufbewahrung bitte nicht auf den Kopf stellen, da sich Gerüche im Kelch sammeln können. Am besten aufrecht und staubfrei im Schrank lagern.
9. Drei Einsteigerweine für den ersten Versuch
Man muss nicht tief in die Tasche greifen, um gute Einsteigerweine zu genießen. Wichtig ist ein zugängliches Aroma, Balance und geringe Komplexität. Diese drei Weine sind in Deutschland leicht zu finden:
- Moscato d’Asti (Italien): Süß, leicht prickelnd, niedriger Alkoholgehalt
- Spätburgunder (Deutschland): Mild, fruchtig, wenig Tannine
- Chardonnay (unverholzt, z. B. aus Südfrankreich): Frisch, fruchtig, ausgewogen
Diese Weine sind oft schon ab 6–12 Euro im Einzelhandel erhältlich, etwa bei Rewe, Edeka, Jacques’ Wein-Depot oder online bei Hawesko.
Jetzt sind Sie bereit für Ihren ersten stilvollen Schluck
Wein ist mehr als nur ein Getränk – es ist ein Erlebnis. Mit ein wenig Wissen über Etikette und Sensorik kann jeder Wein stilvoll und selbstbewusst genießen. Ob zum Essen, bei einem Date oder einfach zum Entspannen – gönnen Sie sich den ersten bewussten Schluck mit neuer Perspektive.
※ Dieser Beitrag dient ausschließlich der allgemeinen Information. Bitte konsumieren Sie Alkohol verantwortungsvoll und entsprechend Ihrer gesundheitlichen Verfassung sowie geltenden Gesetze.