Anna Müller, Projektmanagerin in einem Berliner Start-up, galt lange als hochmotiviert und belastbar. Doch seit einigen Wochen fühlt sie sich bereits vor Arbeitsbeginn erschöpft, starrt in Meetings ins Leere und selbst das Wochenende bringt keine Erholung mehr. Solche Signale sind mehr als nur ein Hinweis auf Müdigkeit – sie können auf ein ernstzunehmendes Burnout hinweisen. In diesem Beitrag stellen wir einen wissenschaftlich fundierten Selbsttest sowie ein strukturiertes Erholungsprogramm vor, das von Psycholog:innen und Fachärzt:innen empfohlen wird.
Was ist Burnout eigentlich?
Burnout bezeichnet einen Zustand körperlicher, emotionaler und geistiger Erschöpfung, der durch chronischen Stress entsteht – meist im beruflichen Kontext. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erkennt Burnout als arbeitsbedingtes Syndrom an, das sich durch drei zentrale Merkmale auszeichnet: emotionale Erschöpfung, Depersonalisierung (innere Distanz) und das Gefühl reduzierter Leistungsfähigkeit. Laut einer Studie der Techniker Krankenkasse aus dem Jahr 2023 gaben 67 % der Berufstätigen in Deutschland an, sich gelegentlich oder regelmäßig ausgebrannt zu fühlen.
10-Punkte-Selbsttest: Haben Sie Burnout?
Wenn Sie fünf oder mehr der folgenden Symptome über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen beobachten, sollten Sie ernsthaft über eine Veränderung nachdenken:
- Sie fühlen sich schon am Morgen vor der Arbeit ausgelaugt.
- Ihre Motivation und Freude an der Arbeit sind stark gesunken.
- Selbst am Wochenende kommt kein Gefühl der Erholung auf.
- Kleine Auslöser führen zu übermäßiger Reizbarkeit oder emotionalen Reaktionen.
- Konzentrationsprobleme und häufige Flüchtigkeitsfehler häufen sich.
- Trotz Schlaf bleiben Sie dauerhaft müde.
- Körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen, Magenprobleme oder Appetitlosigkeit treten häufiger auf.
- Sie fühlen sich sozial zurückgezogen und innerlich isoliert.
- Wiederkehrende Gedanken wie „Ich schaffe das nicht“ oder „Ich bin wertlos“.
- Pausen oder Urlaub führen kaum zu Erholung.
Burnout oder Depression? Der feine Unterschied
Burnout und Depression überschneiden sich in Symptomen, sind jedoch nicht identisch. Burnout ist oft auf den Beruf begrenzt, Depressionen betreffen alle Lebensbereiche. Während Burnout meist mit Überlastung beginnt, zeigt sich die Depression durch tiefe Hoffnungslosigkeit, Antriebslosigkeit und oft auch körperliche Symptome wie Schlafstörungen. Wichtig: Langanhaltender Burnout kann in eine Depression übergehen – daher ist frühzeitiges Gegensteuern entscheidend.
Drei-Stufen-Strategie zur Burnout-Erholung
Erholung von Burnout erfordert mehr als ein Wochenende auf dem Sofa. Es braucht Struktur, Selbstreflexion und gezielte Maßnahmen. Die folgende Strategie basiert auf Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (DGPPN) sowie Erfahrungen aus der klinischen Praxis.
Phase 1: Wahrnehmen – Die eigene Situation ehrlich einschätzen
- Nutzen Sie den obigen Selbsttest und reflektieren Sie Ihre Antworten schriftlich.
- Führen Sie ein Stimmungstagebuch oder verwenden Sie Apps wie MindDoc oder Moodpath.
- Sprechen Sie offen mit Vertrauenspersonen über Ihre Belastung.
Phase 2: Entlasten – Überforderung gezielt reduzieren
- Erstellen Sie eine Liste Ihrer Aufgaben – was kann delegiert oder verschoben werden?
- Reduzieren Sie unnötige Meetings oder stellen Sie Push-Benachrichtigungen ab.
- Planen Sie bewusst einen „arbeitsfreien Tag“ pro Woche – auch im Homeoffice.
Phase 3: Regenerieren – Neue Energiequellen schaffen
- Tägliche Bewegung (Spaziergänge, Yoga, leichte Sporteinheiten) mindestens 30 Minuten.
- Tagesstruktur mit sinnvoller Aufteilung: 60 % Arbeit, 20 % Erholung, 20 % Freizeit.
- Feste Rituale für Erholung: Lesen, Musik hören, Baden, kreatives Tun.
- Schlafroutine mit festen Zeiten und digitalfreier Zone vor dem Schlafengehen.
Erfahrungsbeispiel aus dem Alltag
Maximilian R., Softwareentwickler aus München, erlebte 2023 eine Phase massiver Erschöpfung. Er begann mit täglichem Tagebuchschreiben, joggte morgens 30 Minuten und verhandelte mit seiner Führungskraft einen „Meeting-freien Montag“. Nach drei Monaten berichtete er: „Es war nicht mein Körper, der nicht mehr konnte – es war mein innerer Akku. Struktur war mein Rettungsanker.“
Prävention im Alltag: Kleine Schritte, große Wirkung
- Planen Sie anspruchsvolle Aufgaben in Phasen hoher Konzentration.
- Trennen Sie Arbeits- und Erholungszonen räumlich – gerade im Homeoffice.
- Markieren Sie Erholungszeiten bewusst im Kalender – und halten Sie sie ein.
- Regelmäßige Feedback-Gespräche mit Kolleg:innen oder Vorgesetzten fördern emotionale Entlastung.
Fachliche Einschätzung und aktuelle Datenlage
Dr. med. Sabine Krüger, Fachärztin für Psychosomatik an der Charité Berlin, betont: „Burnout ist keine Schwäche, sondern eine ernstzunehmende Reaktion auf chronische Überlastung. Frühes Erkennen ist der Schlüssel zur Vermeidung schwerer Folgeerkrankungen.“ Laut Barmer-Gesundheitsreport 2023 nahmen die Krankschreibungen aufgrund psychischer Belastungen um 19 % im Vergleich zum Vorjahr zu.
Fazit: Burnout ist ein Warnsignal – kein Makel
Burnout bedeutet nicht, dass Sie versagt haben. Es zeigt vielmehr, dass Sie zu lange über Ihre Grenzen gegangen sind. Nehmen Sie die Signale ernst, reflektieren Sie Ihre Situation und setzen Sie Schritt für Schritt Maßnahmen zur Erholung um. Sie haben ein Recht auf Gesundheit – psychisch wie körperlich.