Wer täglich acht Stunden oder länger am Schreibtisch sitzt, sollte Dehnübungen nicht als Luxus, sondern als Notwendigkeit betrachten. Rückenschmerzen, verspannte Schultern, überlastete Handgelenke und müde Beine sind keine Seltenheit im Büroalltag. Die gute Nachricht: Bereits zehn Minuten gezielte Dehnübungen – zwei Mal am Tag – können diese Beschwerden deutlich lindern und gleichzeitig die Konzentrationsfähigkeit und Produktivität verbessern. In diesem Beitrag stellen wir Ihnen zehn leicht durchführbare Dehnübungen vor, die direkt am Schreibtisch machbar sind.
Sitzen ist das neue Rauchen: Gesundheitsrisiken im Büro
Laut der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) leiden über 70 % der Büroangestellten regelmäßig unter Beschwerden des Muskel-Skelett-Systems – insbesondere im Nacken, Schulter- und unteren Rückenbereich. Längeres Sitzen führt zu einer Kompression der Wirbelsäule, verlangsamter Durchblutung und eingeschränktem Stoffwechsel. Dies kann langfristig zu chronischen Schmerzen, reduzierter Leistungsfähigkeit und erhöhtem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen.
Gezielte Bewegungsphasen und regelmäßige Dehnungen gelten daher als effektive Präventionsmaßnahme – nicht nur zur Schmerzlinderung, sondern auch zur Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz.
Warum Dehnen mehr ist als nur eine Pause
Dehnübungen fördern die Durchblutung, verbessern die Sauerstoffversorgung des Gehirns und steigern die Konzentrationsfähigkeit. Sie erhöhen die Gelenkbeweglichkeit, verbessern die Flexibilität der Muskulatur und beugen Verletzungen vor. Studien der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) belegen, dass regelmäßige Mobilisationseinheiten am Arbeitsplatz das körperliche Wohlbefinden und die Produktivität nachweislich steigern.
Denken Sie also nicht an Dehnübungen als ‚Zeitverlust‘, sondern als Investition in Ihre Leistungsfähigkeit.
10 Dehnübungen, die Sie direkt am Schreibtisch ausführen können
1. Nacken kreisen
- Ausführung: Aufrecht sitzen und den Kopf langsam kreisförmig drehen – zuerst im Uhrzeigersinn, dann gegen den Uhrzeigersinn. Jeweils 3 langsame Wiederholungen.
- Effekt: Löst Verspannungen im Nacken und reduziert Augenbelastung sowie Spannungskopfschmerzen.
2. Schulterrollen und -heben
- Ausführung: Beide Schultern gleichzeitig zu den Ohren ziehen und wieder locker lassen, 10 Wiederholungen. Anschließend Schultern 5-mal nach vorn und 5-mal nach hinten kreisen.
- Effekt: Entspannt den oberen Rücken und fördert eine aufrechte Haltung.
3. Handgelenke und Finger mobilisieren
- Ausführung: Beide Arme nach vorn strecken, Handgelenke 10-mal nach oben und unten bewegen. Finger spreizen und zur Faust ballen, 5 Wiederholungen.
- Effekt: Beugt Überlastungen der Handgelenke vor, insbesondere durch Maus- und Tastaturgebrauch.
4. Rumpfdrehung im Sitzen
- Ausführung: Im Sitzen den Oberkörper zur Seite drehen und an der Stuhllehne festhalten, 10 Sekunden halten. Seite wechseln, je 3 Wiederholungen.
- Effekt: Fördert die Beweglichkeit der Wirbelsäule und entlastet den unteren Rücken.
5. Brustkorböffner hinter dem Rücken
- Ausführung: Hände hinter dem Rücken verschränken, Arme strecken und leicht nach unten ziehen, Brust öffnen. 15 Sekunden halten, 3 Wiederholungen.
- Effekt: Korrigiert eine nach vorn gebeugte Haltung und verbessert die Atemkapazität.
6. Knie-zur-Brust-Dehnung
- Ausführung: Ein Knie anheben und mit beiden Händen zur Brust ziehen, 10 Sekunden halten. Beine wechseln, je 3 Wiederholungen.
- Effekt: Mobilisiert die Hüfte und verbessert die Durchblutung der Beine.
7. Beinrückseite dehnen
- Ausführung: Ein Bein nach vorn ausstrecken, Ferse am Boden, Zehen zum Körper. Oberkörper nach vorn beugen, 15 Sekunden halten. Seite wechseln.
- Effekt: Entlastet die Oberschenkelrückseite und reduziert Druck auf den unteren Rücken.
8. Wadenheben im Sitzen
- Ausführung: Fersen im Sitzen anheben und kurz halten, 20 Wiederholungen. Optional im Stehen zur Intensivierung.
- Effekt: Fördert die Beinvenenzirkulation und reduziert Schwellungen.
9. Augenentspannung
- Ausführung: 20 Sekunden in die Ferne blicken, dann die Augen langsam nach links, rechts, oben und unten bewegen. Augen sanft massieren.
- Effekt: Entlastet die Augen nach Bildschirmarbeit und steigert die visuelle Aufmerksamkeit.
10. Tiefes Atmen und Kurzmeditation
- Ausführung: Aufrecht sitzen, tief durch die Nase ein- und langsam durch den Mund ausatmen. Augen schließen und 1 Minute auf den Atem konzentrieren.
- Effekt: Reduziert Stress, stabilisiert den Puls und fördert mentale Klarheit.
Zwei Mal täglich – mehr braucht es nicht
Diese Routine dauert nur 10 Minuten und kann morgens und nachmittags durchgeführt werden. Erinnerungsfunktionen im Smartphone oder feste Zeitfenster – etwa vor der Mittagspause – helfen bei der Integration in den Alltag.
Einige deutsche Unternehmen integrieren bereits tägliche Dehnpausen in den Arbeitsalltag, meist vor Meetings oder nach längeren Sitzphasen. Laut einer Umfrage des Instituts für Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) berichten Mitarbeitende über mehr Wohlbefinden und bessere Konzentration.
Praktische Apps zur Unterstützung
In Deutschland sind Apps wie Stretching & Flexibility von Leap Fitness, 7Mind oder Gymondo beliebt. Sie bieten geführte Programme und Erinnerungen und sind sowohl für Android als auch iOS verfügbar – einige davon kostenlos oder im Rahmen eines Abos ab ca. 6 Euro im Monat.
Fazit: Kleine Gewohnheit, große Wirkung
Wichtig ist nicht die Intensität, sondern die Regelmäßigkeit. Schon nach wenigen Wochen konsequenter Anwendung lassen sich Verbesserungen in Haltung, Energielevel und Schmerzfreiheit feststellen. Wer sich täglich ein paar Minuten Zeit für seinen Körper nimmt, investiert langfristig in Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Und genau das sollte uns im hektischen Büroalltag wichtig sein.